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Automatisierung in der Elektronikbranche: „Du hast noch 2 Minuten, um den Gurt zu tauschen“

Mit elektronischen Bauteilen bestückte Leiterplatten stecken in jedem elektronischen Gerät. Im Laufe der Jahre mussten sie immer kompakter und zugleich leistungsfähiger werden. Das hat dazu geführt, dass die extrem kleinen Bauteile mittlerweile direkt auf die Oberfläche der Leiterplatte gelötet werden. Es handelt sich also um Surface-mounted devices (SMD) und die Technologie dahinter heißt SMT (Surface-mounting technology). Das klingt technologisch sehr gut ausgereift. Doch im Rahmen einer Technologiepartnerschaft hat sich KUKA mit weiteren Unternehmen einmal genauer angesehen, wie das Material den SMT-Linien automatisch zugeführt werden kann.


Ulrike Götz
1. September 2023
Technology
Lesezeit: 5 Min.
„Die Elektronikbranche ist im Allgemeinen sehr technologieaffin und offen für die Automatisierung von Prozessen, die aktuell noch manuell erfolgen“, sagt Ralf Ziegler, Global Business Development Manager bei KUKA, mit Blick auf den Markt und seine jahrelange Erfahrung im Elektroniksektor. Splicing ist so ein Prozess. Was sich dahinter verbirgt? Allgemein lässt sich sagen, dass SMT-Linien bereits sehr effizient und autonom arbeiten. Maschinen reihen sich gemäß ihrer Aufgabe hintereinander, werden seitlich an der Linie mit Gurten gefüttert, in denen sich kleinste elektronische Bauteile befinden und präsentieren am Ende der Linie fertig bestückte Platinen. Meist stehen sich mehrere Maschinen-Straßen in einer Halle gegenüber, dazwischen ein Gang, in dem Menschen auf und ablaufen, um die Maschinen mit Gurten zu bestücken.
In diesen kleinen Taschen lagern die elektronischen Bauteile in den Gurten. Sie sehen aus wie eine Filmrolle. © KUKA Group

„Bis zu 20.000 und mehr elektronische Bauteile lagern in kleinen Taschen in den Gurten, die zu großen Spulen aufgerollt sind. Das kann man sich ein bisschen vorstellen wie eine riesige Filmrolle“, beschreibt Otmar Honsberg, Vice President Global Application Engineering bei KUKA. „Mit diesen Gurten werden die Maschinen in der SMT-Linie gefüttert. Geht eine Rolle zur Neige, müssen der laufende und neue Gurt miteinander verbunden werden, damit die Maschinen ein quasi Endlosband haben und durchlaufen können.“ Dieser Prozess nennt sich Splicing und ist nach wie vor Handarbeit.

„Es ist eigentlich nur schwer vorstellbar, dass in diesem Hightech-Produktionsbereich dieser manuelle Prozess noch nicht automatisiert werden konnte. Dieser Umstand war für uns ein besonderer Anreiz, in dieses gemeinschaftliche Projekt ‚Autosplicing‘ einzusteigen“, so Herbert Frankl, Geschäftsführer der Sonplas GmbH, einem mittelständischen Sondermaschinenbauer und Automatisierungsspezialisten. Nicht selten hieße es an den SMT-Linien bisher: „Du hast noch 2 Minuten, um den Gurt zu tauschen“. 

Natürlich werden die Daten automatisch von der ASMPT SMT-Maschine ermittelt und der Auftrag in das Materialbereitstellungs-System gestellt. Sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann nicht schnell genug, kommen die Maschinen zum Stehen. 

Je nach Bauteilgröße sind die Gurte unterschiedlich breit. Das reicht von 8 Millimetern bis hin zu 72 Millimetern. Aufgrund dieser zahlreichen Varianten ist der Prozess nicht einfach, zu automatisieren.

Aktuell kleinste Bauteile haben Abmessungen von 0,2 x 0,4 mm auf einem 8 mm Gurt. 
„SMT-Linien gibt es überall dort, wo Elektronikbauteile gefertigt werden. Hauptsächlich stehen diese Linien in Asien, Unternehmen denken aber darüber nach, die Produktion ins Heimatland zurückzuholen“, sagt Ralf Ziegler. „Deswegen geht es immer mehr darum, durch Automatisierung die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.“ 

KUKA, ASMPT und Sonplas haben sich als Technologiepartner zusammengeschlossen, um für das Continental-Werk in Regensburg diesen Prozess zu automatisieren – mit einem sensitivem Cobot, montiert auf einer mobilen, autonomen Plattform. Das Ziel: Die Maschinen autonom zu bestücken und die Gurt-Enden mit höchstmöglicher Qualität miteinander zu verbinden, um Stillstände zu vermeiden. „Continental hatte bei uns angefragt, ob es machbar wäre, den von ihnen eingesetzten Handsplice-Automaten zu automatisieren. Wir haben uns dann aber den ganzen Prozess angeschaut und dabei ein Stück weit Pionierarbeit geleistet“, sagt Joachim Roess, KUKAs Global Key Account Manager für Continental.

Modernste mobile Robotik im Zusammenspiel mit Sensoren und Software – das ist der Kern der entwickelten Lösung. Wie die ersten Erfahrungen mit der Lösung im Live-Betrieb waren berichtet Dr. Markus Fischer, Head of Industrial Engineering bei Continental: "Die ersten Erfahrungen sind sehr vielversprechend. Auch wenn eine Industrialisierung dieser Lösung technisch noch nicht möglich ist, werden wir – als innovatives Industrie 4.0 Werk -  weiterhin versuchen die bestehenden technischen Herausforderungen zu lösen, um eine Automatisierbarkeit zu realisieren."

In solchen Kassetten lagern die mit elektronischen Bauteilen bestückten Gurte. Der Cobot handhabt die Kassetten, ist mit der Maschinensteuerung in Verbindung und spult die Restgurte ab. Der Splicer verbindet die zwei Gurtenden automatisch und zuverlässig miteinander. Anschließend wird die befüllte Kassette in die SMT-Maschine zurückgelegt. © KUKA Group

„Mit dem mobilen Roboter können wir jede Maschine individuell anfahren, die Gurte lagern wir in standardisierten Kassetten, damit der Roboter immer die gleichen Greifpunkte hat – egal, wie groß der jeweilige Gurt ist“, gibt Otmar Honsberg einen Einblick in die technische Umsetzung. Eine technologisch marktreife Lösung ist das noch nicht. Aber die Technologiepartnerschaft zeigt, welche Potenziale aktuell noch brach liegen.

Als nächster Schritt könnte zum Beispiel über eine branchenweite Vereinheitlichung des Materials bei der Anlieferung der Gurte an End-Verarbeiter wie Continental nachgedacht werden. Solche Standards würden dabei helfen, weiter zu automatisieren und damit wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese Lösung als Ergebnis der Technologiepartnerschaft ließe sich aber schon einmal sehr gut in bestehende SMT-Linien integrieren. „Solche Projekte spielen in unsere KUKA DNA, wir treiben sie mit viel Herzblut, weil wir uns als Technologieführer verstehen“, sagt Otmar Honsberg. 

Hier schreibt:
Ulrike Götz
Spokesperson Technology KUKA 

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