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„Es macht mir Spaß, meinen Gegner taktisch und spielerisch auszuhebeln“
Wer über Rekorde im Tischtennis spricht, kommt an Timo Boll nicht vorbei. 2003 führte er die Weltrangliste erstmals an, kürzlich hat er mit Borussia Düsseldorf seinen 12. deutschen Mannschaftsmeistertitel geholt. Was kommt nun? Im Interview spricht der sympathische Rekordmeister und KUKA Markenbotschafter über seine nächsten Ziele und die wahre Kunst des Tischtennis. Und er verrät, welchen Roboter er gerne zuhause hätte.
Romy Schoenwetter
5. Juli 2022
Society
Lesezeit: 3 Min.
Timo, herzlichen Glückwunsch zum 12. deutschen Meistertitel! Wie fühlt es sich an, mit Tischtennis-Idol Eberhard Schöler gleichzuziehen?
Timo Boll: „Ich jage keinen statistischen Rekorden nach, freue mich aber immer sehr über jeden einzelnen Titel. Gerade wenn man für eine erfolgsverwöhnte Mannschaft wie Borussia Düsseldorf spielt, wird man auch erfolgshungrig und will den Sieg für sein Team holen.“
Also ist es im Einzel entspannter?
Timo Boll: „Ja, tatsächlich. Da spiele ich nur für mich selbst. Bin ich auf einen Wettkampf gut vorbereitet und habe alles gegeben, bin ich zufrieden mit mir – selbst wenn am Ende vielleicht nicht der große Titel herausgesprungen ist. Spielt man allerdings für sein Team, ist der Druck durchaus höher: Schließlich will ich meine Kollegen nicht enttäuschen, sondern bestmöglich unterstützen.“
Seit langem Weltklasse, erfolgreichster deutscher Tischtennisspieler aller Zeiten: Welche sportlichen Ziele haben Sie sich für die Zukunft gesetzt?
Timo Boll: „Ich schaue nicht mehr so langfristig in die Zukunft, da ich mich sicher schon Richtung Ende meiner sportlichen Karriere bewege. Aktuell blicke ich eher von Wettkampf zu Wettkampf – dass ich fit werde und fit bleibe. Deshalb versuche ich, meinen Trainingsalltag zu ökonomisieren [lacht]. Schön effizient sein, um sich nicht mehr zu sehr zu belasten. Der Ehrgeiz ist aber nach wie vor da. Und das macht es spannend.“
Auf welchen Wettkampf arbeiten Sie gerade hin?
Timo Boll: „Ich wäre gern noch einmal bei Olympischen Spielen dabei. 2000 in Sydney das erste Mal teilgenommen, wären dies meine siebten Spiele. Darauf arbeite ich hin. Dazwischen liegen noch viele andere Höhepunkte: Im Herbst findet zum Beispiel die Mannschafts-WM in China statt, im August trete ich in München als Titelverteidiger bei der Europameisterschaft an. Die Bundesliga und Champions League gehen auch bald wieder los, wo wir ebenfalls Titelverteidiger sind. Es steht viel an und wird nie langweilig. Das ist das Schöne am Tischtennis: Wir haben einen vollen Terminkalender und da kommt man nicht zu sehr ins Grübeln, sondern ist ständig im Flow.“
Viele denken, dass man als Tischtennisspieler gut reagieren muss. Doch die Kunst ist vielmehr, sich in den Gegner hineinzuversetzen, die Züge des anderen vorherzusehen und die eigenen vorauszuplanen.
Wie gehen Sie lieber in einen Wettkampf: als Titelverteidiger oder als Titeljäger?
Timo Boll: „Beides ist spannend. Als Titelverteidiger ist der Druck natürlich hoch. Aber ich gehe die Dinge grundsätzlich realistisch an, fast sogar pessimistisch. Wenn ich dann während des Wettkampfes spüre, dass ich meinen Gegner im Griff habe, gewinne ich an Selbstvertrauen und Optimismus.“
Welche Signale im Match verschaffen Ihnen dieses Selbstvertrauen?
Timo Boll: „Sobald ich ein Gespür für die Bälle des Gegners gewinne und er mir mit seinen Schlägen nicht so richtig weh tun kann. Es macht mir Spaß, meinen Gegner taktisch und spielerisch auszuhebeln – schon vor ihm zu wissen, wo er den Ball hinspielen wird. Das ist dann wie Hochgeschwindigkeits-Schach.“
Das Tempo beim Tischtennis ist wirklich enorm...
Timo Boll: „Viele denken, dass man als Tischtennisspieler gut reagieren muss. Doch die Kunst ist vielmehr, sich in den Gegner hineinzuversetzen, die Züge des anderen vorherzusehen und die eigenen vorauszuplanen. Das ist wichtiger als eine gute Reaktionsfähigkeit.“
In China ist Tischtennis ein Volkssport. Sie selbst waren über 60-mal dort. Hat sich Ihr Bild des Landes durch die zahlreichen Reisen verändert?
Timo Boll: „Ich war mit 15 oder 16 Jahren das erste Mal dort, damals eine ganz andere Welt für mich. China hat sich seitdem wahnsinnig entwickelt. Das mitzuerleben war und ist sehr spannend. Ich habe dort viele Menschen kennengelernt und mittlerweile enge Freundschaften geschlossen. Das Kulturelle zu erleben, wie die Menschen sich geöffnet haben, hat meinen Blick auf das Land positiv beeinflusst.“
Wenn Sie sich einen Roboter für zuhause wünschen könnten: Welche Tätigkeit würde er übernehmen?
Timo Boll: „Ich habe einen Massage-Stuhl zuhause, aber ein Massage-Roboter wäre großartig. Über einen Tischtennis-Roboter würde ich mich auch sehr freuen. Als Profi und Technik-Fan, der jeden Tag News aus diesem Themenfeld liest, könnte ich bei der Entwicklung sicher einen wertvollen Beitrag leisten [lacht].“