Leicht, stabil – und vom Roboter erbaut
Mit einem neuen Forschungspavillon setzt die Universität Stuttgart Maßstäbe in der Leichtbauarchitektur
10. August 2015
Er ist zugleich leicht und stabil, wie ein Spinnfaden: der Forschungspavillon 2014/2015 der Universität Stuttgart. Die Inspiration für das Design bekamen die Mitarbeiter des Instituts für Computational Design (ICD) und des Instituts für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE) tatsächlich aus der Natur. Die Art und Weise, wie die Wasserspinne ihre Nester unter Wasser baut, diente als Vorbild.
Im Wasser baut die Spinne aus Spinnfäden ein glockenförmiges Netz, das sie mit Luft füllt. Diese Lufthülle sichert der Spinne unter Wasser das Überleben. Selbst ihre Eier legt sie innerhalb der Hülle ab. Von dieser einzigartigen Bauweise inspiriert, bestand auch der Forschungspavillon zunächst aus einer weichen, mit Luftdruck gestützten Folienhülle aus ETFE. Schritt für Schritt wurden anschließend mit Hilfe eines KUKA Roboters aus der KR QUANTEC ultra Familie von innen Carbonfasern aufgeklebt.
Das Ergebnis: eine federleichte Faserverbundschale. Sie formt den Pavillon in einzigartiger architektonischer Qualität. Da die Carbonfasern nur dort aufgebracht werden, wo sie zur Verstärkung der Konstruktion benötigt sind, und die pneumatische Schalung gleichzeitig als funktional integrierte Gebäudehülle verwendet wird, handelt es sich hierbei um einen abfallfreien und ressourcenschonenden Bauprozess.
Zur Platzierung der Carbonfasern auf der Innenseite der nachgiebigen Folie wurde ein prototypischer robotischer Fertigungsprozess entwickelt. Dabei wurde die Steuerung des Roboters besonders herausgefordert: Denn die Steifigkeit pneumatische Schalung verändert sich während des Faserablageprozesses und sorgt für schwankende Verformungen. Zur Anpassung dieser Parameter im Verlauf des Fertigungsprozesses wird die aktuelle Position und Anpresskraft über eine integrierte Sensorik erfasst und in Echtzeit in die Steuerung des Roboters integriert. Ein solches cyber-physisches Systems erlaubt eine konstante Rückkopplung zwischen den realen Fertigungsbedingungen und der digitalen Generierung des Robotersteuerungscodes. Dies stellt nicht nur eine wichtige Entwicklung im Rahmen dieses Projektes dar, sondern zeigt generelle neue Möglichkeiten für robotische Bauprozesse auf.